Heidrun Jakobs - 19. September 2011
Was alles so passieren kann, wenn man über Gerichtsverfahren berichtet. Dem Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln hat mein Blog-Beitrag „Die Volksbank Euskirchen und das P-Konto“ gar nicht gefallen. Schade eigentlich. Jedenfalls sah sich der Herr Präsident veranlasst, bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main eine Eingabe einzureichen. Diese Eingabe hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
im Zusammenhang mit dem Zivilverfahren 26 O 365/10 hat mir der Vorsitzende der Kammer, Herr Vorsitzender Richter am Landgericht K. (Anmerkung der Redaktion: Name wurde anonymisiert), anliegenden Internet-Blog von Rechtsanwältin Jakobs zur Kenntnis gebracht. Ich stelle – durchaus in Kenntnis der restriktiven Linie des BverfG (NJW-RR 2010, 204) – eine berufsrechtliche Prüfung im Hinblick auf § 43a Abs. 3 BRAO bzw. die wenig klaren Grenzen anwaltlicher Internetauftritte im Hinblick auf § 43 b BRAO anheim. Ich darf höflich bitten, mich zu gegebener Zeit zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag“
Meine Stellungnahme lautet wie folgt:
"Sehr geehrte Frau Kollegin,
in vorbezeichneter Angelegenheit nehme ich auf Ihr Schreiben vom 5. September 2011 und zu der Eingabe des Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln wie folgt Stellung:
Zunächst danke ich dem Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln vielmals für sein Interesse an meinem Blog „www.heidrun-jakobs-blog.de“. Eine wesentliche Zielrichtung des Blogs ist es, die Öffentlichkeit auf Missstände u.a. in der Justiz aufmerksam zu machen und einen Beitrag zur öffentlichen Willensbildung zu leisten. Bedauerlicherweise ist jedoch festzustellen, dass die Eingabe des Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 204) und damit in Kenntnis der Erfolglosigkeit einer gegen mich gerichteten Beschwerde erhoben wurde, so dass sich mir die Sinnhaftigkeit dieser Eingabe verschließt. Da hiermit unnötig Kapazitäten der Rechtsanwaltskammer Frankfurt gebunden werden, schlage ich vor, einem solchen Verhalten der Justiz deutlich Einhalt zu gebieten.
In der Sache ist seitens des Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit mit dem angegriffenen Blog-Beitrag gegen § 43 a Abs. 3 BRAO und § 43 b BRAO verstoßen worden sein soll.
Ein Verstoß gegen die genannten Berufspflichten lässt sich auch in tatsächlicher Hinsicht nicht erkennen. Gemäß § 43 a BRAO ist insbesondere ein Verhalten unsachlich, bei dem es sich um die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder solchen herabsetzenden Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben, handelt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Der angegriffene Blog-Beitrag berichtet über den Ablauf des Rechtsstreits der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. gegen die Volksbank Euskirchen eG, wobei die mündliche Verhandlung mehr von einer absolutistischen Verfahrensleitung geprägt war als von rechtsstaatlichen Grundsätzen. Zur Wahrung der Interessen meiner Mandantschaft waren sowohl ein Protokollberichtigungsantrag, mehrere Anträge auf Protokollierung der gestellten Anträge sowie ein Befangenheitsantrag notwendig. Wegen der näheren Einzelheiten verweise ich auf die Gerichtsakte und rege an, diese beizuziehen.
Als unabhängiges Organ der Rechtspflege bin ich verpflichtet, Verhandlungsleitungen, die zivilprozessualen Grundsätzen und im Weiteren auch rechtsstaatlichen Geboten zuwider laufen, entgegen zu wirken. Hierfür wurde ich vereidigt und hierfür trete ich an.
Soweit die Vorgänge der mündlichen Verhandlung in meinem Blog-Beitrag zusammengefasst wurden, berufe ich mich auf mein Grundrecht der freien Meinungsäußerung aus Artikel 5 Abs. 1 GG und die Pressefreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG und weise insbesondere auf die Privilegierung einer Gerichtsberichterstattung hin. Insofern verweise ich auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Rechtsanwalt auch starke eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen und sogar ad personam argumentieren darf (BverfG, 1 BvR 195/87, BverfGE 76,171).
Abschließend weise darauf hin, dass sowohl die Eingabe des Herrn Präsidenten des Landgerichts Köln als auch dieses Schreiben im Wortlaut in meinem Blog veröffentlicht werden.
Mit kollegialen Grüßen“
Yes, we do!
Kommentare
Kommentar von geldhai - Permanenter Link
wenn jeder mal so standhaft wär...
Kommentar von Liz - Permanenter Link
*hutab*
Es sind immer die Menschen die mir doch noch Hoffnung geben :-)
Kommentar von Kinnlade - Permanenter Link
Auch wenn es keinen Grund gibt, weshalb nicht auch im Gerichtswesen Inkompetenz walten und auch Karriere machen sollte, ist diese Dimension für einen juristischen Laien wie mich doch erschreckend. Die Paarung mit Ignoranz und Borniertheit macht es nicht besser. Noch schlimmer ist der Einfluss der Banken, der sich offenbar nicht nur auf die Politik beschränkt.
Schön aber, dass die Petze (aka. Gerichtspräsident) selbst sich wenigstens nach Kräften darum bemüht, die Aufmerksamkeit einer möglichst breiten Öffentlichkeit auf die Angelegenheit zu lenken.
Glückwunsch zum Rechtgekriegthaben.
Kommentar von Alexander Rafalski - Permanenter Link
zu Beitrag #23
> @ Rafalski: Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die es Anwälten erlaubt, außerhalb der eigentlichen gerichtlichen Auseinandersetzung ad personam Herabsetzendes in die Welt zu setzen, gibt es nicht. <
Die öffentliche Besprechung einer gerichtlichen Auseinandersetzung soll strikteren Regeln unterliegen als das Verhalten im Gerichtssaal?
Kein Kommentar.
Übrigens finde ich es nachgerade dummdreist, wenn Sie sich selbst "Herr Lehmann" nennen und mich hier mit dem Nachnamen pur schräg von der Seite anquasseln.
Also künftig "Herr Rafalski", "Herr Assessor" oder "Onkel Alex", Sie Lümmel.
Kommentar von Bernd - Permanenter Link
ja das ist schon sehr traurig...viel erfolg weiterhin!!!
Kommentar von Rechtsanwalt Dr... - Permanenter Link
Sehr geehrte Frau Kollegin Jakobs,
mit Bewunderung habe ich über Ihren engagierten Kampf gegen den
Skandal mit dem P-Konto gelesen und finde es sehr lobenswert, solche
Dinge im Web öffentlich zu machen.
Mit meinem AnwaltsBLOG der WAHRHEIT
(http://anwaltsblogderwahrheit.blogspot.com/ ) verfolge ich ebenfalls
das Ziel einer transparenten Justiz und werde in Zukunft gescannte
Original-Gerichtsakten dort veröffentlichen (Stichwort "AnwaltLeaks"
und Guttenberg Plag)
Über einen Skandal bzw. einen eklatanten Rechtsbruch in eigener Sache
berichte ich unter
www.AnwaltskanzleiKostenlos.de/welf-haeger-zulassung.htm
Zu Ihrem P-Konto Fall habe ich noch eine Frage: Warum wird kein
Hauptsache-Verfahren eingeleitet?
Abschließend erlaube ich mir noch den Hinweis, dass auf Ihrer Website
unter "Honorar" die beiden Links ins Leere gehen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Welf Haeger
Rechtsanwalt
Kommentar von Anton - Permanenter Link
zu Kommentar 1: Ich hätte gerne gewußt, was der Streisand Effekt ist.
Anton
Kommentar von Ella - Permanenter Link
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Kommentar von Poldi - Permanenter Link
Nur aus Zufall bin ich auf diese Seite gestossen, eigentlich hatte ich nach einem Urteil des AG Köln in Sachen Pfändung bei P-Konten gesucht.
Ich habe es nicht bereut, hier zu lesen und mich köstlich amüsiert !!!
Ein Jeck bleibt eben ein Jeck (schreibt man das so?),
egal ob im Fasching auf der Bühne oder als LG-Präsident - meist ist
eben ein Gläschen zu viel im Spiel... ich kenn` die Kölner, ich liebe diese Stadt.
Das mußte ich hier hinterlassen und noch einen schönen Gruß aus Bavaria an den "Präsidenten" - lass mal lieber öfters den Korken in der Flasche.
Kommentar von Nordensen - Permanenter Link
Ich habe ja fast den Eindruck, dass der Präsisdent nicht wirklich argumentiert hat, weil er weiß das der strittige Beitrag rechtens ist. Jedoch, wenn sich der Vorsitzende Richter an ihn wendet, er auch irgend wie tätig werden sollte.
Aber erfreulich das alles gut ausgegangen ist.
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