Heidrun Jakobs - 30. Oktober 2025
Insolvenz der DEGAG: Vorsicht bei sogenannten Interessengemeinschaften
Die Insolvenz der DEGAG-Gruppe, speziell der DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG und ihrer Tochtergesellschaften wie der DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH ist ein einziger Skandal. Nach einem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalter wird dem Gründer der Gesellschaften, Herrn Birger Dehne vorgeworfen, aus der DEGAG Gruppe Beträge in Millionenhöhe für seine anderen Unternehmen und für private Zwecke entnommen zu haben. Der Aufenthaltsort von Herrn Dehne ist zurzeit unbekannt.
Tausende Anleger, die in Genussrechte investiert haben – eine risikoreiche Anlageform mit qualifiziertem Nachrang –, stehen nun vor dem Ausfall von Zinszahlungen und Kapitalrückzahlungen. Insgesamt sind rund 4.700 Anleger mit bis zu 282 Millionen Euro betroffen. Die DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH hat die Risiken in ihren Prospekten verharmlost, indem sie von “stabilen” und “sicheren” Investitionen schwärmte, während das Geld tatsächlich über mehrere Konzernebenen als Darlehen weitergereicht wurde – ohne dass die Gesellschaften selbst nennenswerte Immobilien im Besitz hatten. Die Anlageberater, die diese Genussscheine bei ordentlichen Provisionen vermittelten, verschwiegen in der Regel diese Risiken, die erfahrenen Finanzvermittlern schon auf den ersten Blick wegen der Rechtsnatur von Genussrechten hätten auffallen müssen.
In dieser schwierigen Lage erhalten viele Anleger Schreiben oder Anrufe von sogenannten Interessengemeinschaften (IGs) und Verbraucherschutzverbänden. Diese bündeln angeblich die Ansprüche der Geschädigten, um in den Gläubigerversammlungen Mitspracherecht zu erlangen und höhere Rückzahlungsquoten durchzusetzen. Kostenlose Vertretung? Gebündelte Stärke? Das klingt verlockend – birgt aber massive Fallen. Denn bei genauerer Betrachtung kommen genau diese Interessenvertretungen selbst als Anspruchsgegner in Betracht. Und hier lauert ein eklatanter Interessenkonflikt, der betroffene Anleger in die Irre führen kann.
Die Rolle der Interessengemeinschaften: ein Geschäftsmodell oder Helfer?
Nehmen wir die prominenteste Akteurin: Die Interessengemeinschaft DEGAG (IG DEGAG). Sie wirbt aggressiv um Mitglieder und verspricht für einen Pauschalbeitrag von 90 Euro eine starke Stimme gegenüber dem Insolvenzverwalter. Auf den ersten Blick scheint das hilfreich: In den anstehenden Gläubigerversammlungen – die in den nächsten Monaten entscheidend sein werden – können Mehrheiten über den Verfahrensverlauf entscheiden. Die IGs bieten oft “kostenlose” Vertretung an, um Stimmen zu mobilisieren.
Doch der Haken: Viele dieser Verbände werden von Personen geleitet, die eng mit der DEGAG verbunden waren – als Anlageberater oder Anlagevermittler. Diese Profis haben die Genussrechte aktiv vermarktet und Provisionen kassiert. Nun, nach dem Desaster, könnten sie selbst haftbar gemacht werden. Anleger haben unter Umständen gute Chancen auf Schadensersatzansprüche gegen Vermittler, wenn die Risiken nicht ausreichend offengelegt wurden – etwa durch unvollständige Prospekte oder verharmlosende Werbeaussagen.
Der Interessenkonflikt: Wer beißt die Hand, die ihn füttert?
Ein Paradebeispiel ist die IG DEGAG, deren Webseite schon auf eine unerlaubte Rechtsberatung hindeutet. Diese Interessengemeinschaft wird von Tilo Ebner geleitet. Tilo Ebner und seine Finanz Trend Finanz und Versicherungsmakler GmbH waren Vermittler von DEGAG-Genussrechten und dürften sich folglich gewissen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen. Warum bildet ein Vermögensanlagen-Vermittler nun eine Gemeinschaft, die Ansprüche gegen die DEGAG-Verantwortlichen geltend machen soll? Die Antwort liegt auf der Hand: Als potenzieller Haftungsgegner hat er ein vitales Interesse daran, dass Fokus auf der Emittentin liegt – nicht auf den Beratungsfehlern der Vermittler. Eine unabhängige Vertretung durch die IG würde bedeuten, dass Ebner & Co. ihre eigenen Schwachstellen kaschieren könnten. Die geschädigten Anleger können vor solchen Interessengemeinschaften nicht genug gewarnt werden. Gleiches gilt für Rechtsanwaltskanzleien, die geschädigte Anleger ungefragt anschreiben und regelrecht um eine Mandatierung betteln. Jüngst warnte gerade auch Stiftung Warentest vor schwarzen Schafen in dieser Branche.
Dieser Interessenskonflikt ist kein Einzelfall. Viele Interessengemeinschaften und Kanzleien, die um Mandatsakquise werben, stammen aus dem DEGAG-Ökosystem. Sie fordern teure Dienstleistungen für Forderungsanmeldungen ab, die Anleger eigentlich selbst erledigen können – und lenken so von eigenen Haftungsrisiken ab. In der Gläubigerversammlung könnte das zu “Nebenabsprachen” führen, die den Anlegern schaden, wie es im ähnlichen UDI-Fall geschah.
Was sollten Anleger jetzt tun?
• Forderungen anmelden: Das können Sie selbst beim Insolvenzverwalter erledigen. Nutzen Sie die Formulare auf der Website des Verwalters und achten sie auf Fristen.
• Vermögensanlagen oder -vermittlerhaftung prüfen: Konsultieren Sie einen unabhängigen Anwalt für Kapitalanlagerecht. Der kann Ansprüche gegen Berater oder Vermittler auf Schadensersatz geltend machen – unabhängig von dubiosen IGs.
• IGs meiden: Schließen Sie sich nur Gruppen an, die transparent und konfliktfrei sind. Fordern Sie Nachweise zur Unabhängigkeit ein.
• Dokumente sichern: Sammeln Sie alle Unterlagen (Prospekte, Beratungsprotokolle, Kontoauszüge) zu Ihrem Fall und bereiten Sie Ihren Fall chronologisch auf.
Generell gilt immer der Grundsatz: Finger weg von Vermögensanlagen, die Sie nicht selbst verstehen. Hohe Renditeversprechen sind auch meist ein Indikator für unseriöse Vermögensanlagen. Vorsicht auch bei Vermögensanlageberatern oder -vermittlern, die provisionsbasiert arbeiten. Hier lauern immer Interessenskonflikte.





