Kachelmann und die Sonnengötter des Landgerichts Mannheim

Nun wurde er also zurückgewiesen, der Befangenheitsantrag Kachelmanns, trotz ordentlicher Munition der Verteidigung, die im Laufe des kurzen Verfahrens schon zusammen gekommen war.

Wir wissen hier nicht allzu viel, nur das was den Medien zu entnehmen ist und das bietet immerhin reichlich Anlass, dass Juristen weit und breit in unserem Land den Kopf schütteln über das was die Staatsanwaltschaft und das Gericht im Kachelmann Prozess bislang so abgeliefert haben. Kachelmann war sich jedenfalls zu fein, der Presse die Begründung des Befangenheitsantrags zuzuspielen aus Rücksichtnahme auf das Gericht. Eine nicht gebotene und völlig überflüssige Rücksichtnahme wie ich meine, denn das Gericht und die Staatsanwaltschaft, die schonungslos und ohne Aufhalt den Medien intime Einzelheiten aus den Ermittlungsakten zuspielten und damit die Persönlichkeitsrechte Kachelmann’s erheblich verletzten, haben nicht die geringste Rücksichtnahme verdient.

Sie wollen ihn hängen sehen, soviel steht fest und um das zu erreichen scheint jedes Mittel recht zu sein und der Prozess wird von hinten aufgerollt. Das mutmaßliche Opfer wird zuletzt gehört, zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit Kachelmanns wird ein Gutachter herangezogen, der jede Regung, jede Mimik Kachelmanns strengstens unter die Lupe nimmt. So eine Art lebender Lügendetektor.

Dazu passt es nur allzu gut, dass Oberstaatsanwalt Gartner und Staatsanwalt Oldrogge dem mutmaßlichen Vergewaltigungsopfer am 20. April versprochen haben sollen, Kachelmann nicht aus der U-Haft zu entlassen, wie bild.de am 13.09.2010 meldete.

Dazu passt auch, dass die Staatsanwaltschaft den Heidelberger Psychotraumatologen Günter Seidler beauftragt hat, nachdem das Ergebnis des zuvor eingeholten Gutachtens Kachelmann offenbar entlastete und dieses Ergebnis der Staatsanwaltschaft aber auch wirklich nicht in den Kram passte. Und nun musste einer her, dessen Gutachten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das gewollte Ergebnis der Staatsanwaltschaft bestätigen wird. Und wer könnte das besser als der Arzt des mutmaßlichen Opfers, eben der Heidelberger Psychotraumatologe Günter Seidler, bei dem sie sich seit Kachelmanns Inhaftierung in Therapie befinden soll.

Mit einem fairen Verfahren hat das nicht das Geringste zu tun, mit Rechtstaatlichkeit schon gar nicht.

Und so wird dann auch der Befangenheitsantrag abgeschmettert mit der Begründung, dass der „vernünftige Angeklagte nämlich davon ausgehen muss … dass der Richter aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung grundsätzlich die Fähigkeit hat, sich von Befangenheit und dem in jedem öffentlichkeitswirksamen Verfahren entstehenden Druck frei zu halten”. Na bitte, da haben wir es: Das hoch ehrenwerte Gericht ist aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung erhaben über alles. Ja, warum handelt das Gericht dann nicht entsprechend? Warum führt das Gericht dieses Verfahren jenseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit?

Es war offenkundig, dass das Landgericht Mannheim den Befangenheitsantrag Kachelmanns ablehnen würde, andernfalls ich mir gut vorstellen kann, dass die Richter Seidling und Bültmann dies den Kollegen für den Rest der Amtszeit wohl nicht hätten verzeihen können. Der alte Spruch „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, kommt hier deutlich zum Tragen.

Aber die Begründung der Zurückweisung passt doch wohl besser in das Zeitalter des Absolutismus zu Louis XIV. als in einen modernen Rechtsstaat. Das Landgericht Mannheim stellt sich offensichtlich auf den Standpunkt „Das Recht sind wir“ und das ist mehr als bedenklich.

Yes, we do!

Kommentare

Der Mensch, so sagt man, sei ein vernunftbegabtes Wesen.
Die Realität dagen zeigt uns, wie wenige Menschen von ihren guten Begabungen auch Gebrauch machen; und das gilt scheinbar ganz besonders in der Justiz.
(Weshalb denke ich nur ständig an den Oppenheimer?)

fantastischer Artikel, messerscharf formuliert, sehr gut!

Dem darf man sich sicherlich neidlos anschließen.
Ich frage mich aber, ob die Zusammenfassung der Kategorien Justiz und Kurioses als >Programm< der Autorin zu verstehen sind?
Wäre in diesem Fall sehr treffend, finde ich